Neue Chefin der Zwischenlager im Interview

ESSEN/BERLIN – Seit gut 100 Tagen ist Bettina Hesse Vorsitzende der BGZ-Geschäftsführung. Im Interview schildert sie ihre ersten Eindrücke und spricht über die Herausforderungen der Zwischenlagerung.

Frau Hesse, Sie sind seit gut 100 Tagen Vorsitzende der Geschäftsführung der BGZ, also der Gesellschaft des Bundes, die die Zwischenlager für radioaktive Abfälle an den AKW-Standorten in Deutschland betreibt. Keine leichte Aufgabe. Was reizt Sie an dieser Position?

Das Thema hat mich spätestens seit meiner Zeit beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung gepackt und ich will mich weiter aktiv im Bereich der nuklearen Entsorgung einbringen. Beim BASE lagen die Schwerpunkte bei der Begleitung der Verfahren in der nuklearen Sicherheit und der damit zusammenhängenden Projekte im Sinne der Aufsicht sowie Genehmigung.  Ich wollte gerne in das operative Geschäft wechseln. Vom Schreibtisch an die Werkbank sozusagen. Auch und gerade weil wir in Deutschland aus der Atomkraft ausgestiegen sind, gibt es weiterhin viel zu tun. Hier eine aktive Rolle zu spielen, halte ich für eine verantwortungsvolle und spannende Aufgabe.

Man sagt ja: Neue Besen kehren gut. Der Umgang mit Menschen hat in Ihrer Vita einen besonderen Stellenwert. Gibt es schon etwas, worauf Sie in der BGZ Ihre Schwerpunkte legen möchten?

Wir sind ein Unternehmen mit aktuell 19 Standorten, an denen gut 600 Mitarbeiter*innen beschäftigt sind, Tendenz steigend. Wir betreiben 17 Zwischenlager, Essen und Berlin sind Bürostandorte. Für mich ist, gerade bei einem jungen und so dezentral aufgestellten Unternehmen wie der BGZ, das Thema Organisationsentwicklung von zentraler Bedeutung. Unter anderem meine ich damit die Anpassung an Herausforderungen der modernen Arbeits- und Lebenswelt, mit einem Schwerpunkt auf der digitalen Transformation. Dabei möchte ich die BGZ zu einer lernenden Organisation weiterentwickeln. Die Themen Wissensmanagement und Kompetenzerhalt sind dafür beispielhaft zu nennen. Und wir müssen mit anderen Akteuren gemeinsam dafür Sorge tragen, dass auch künftig qualifiziertes Personal zur Verfügung steht.

Was schwebt Ihnen da vor?

Wir müssen dafür sorgen, dass die BGZ als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen wird. Das wird aber alleine nicht ausreichen. Da wir mit dem Thema Fachkräftemangel nicht alleine sind, kann ich mir hier gut eine Zusammenarbeit im Bereich der Aus- und Weiterbildung mit anderen Institutionen im Umfeld der nuklearen Sicherheit  vorstellen.

Richten wir den Blick auf die aktuellen Situation. Wie beurteilen Sie denn die Herausforderungen, vor denen die Branche steht?

Wir werden es mit langen Zeiträumen zu tun haben, bis alle atomaren Hinterlassenschaften in einem Endlager dauerhaft sicher verschlossen sind. Hier gilt es, den Fokus auf dieses Thema aufrechtzuerhalten. Wir sehen ja, dass sich nach dem Atomausstieg die Frage der Entsorgung der radioaktiven Abfälle in einem Spannungsfeld befindet. Die aktuelle Situation ist eine große Herausforderung, aber eben auch eine Chance zu zeigen, dass wir das Kapitel Atomkraft endgültig gemeinsam abschließen können.

Jüngst wurde bekannt, dass sich die Inbetriebnahme eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle deutlich verzögert. Das dürfte doch bei den Menschen an den Zwischenlagerstandorten für Unmut gesorgt haben. Kein leichter Start als neue Vorsitzende der Geschäftsführung, oder?

Infolge des Verzugs bei der Endlagersuche für hochradioaktive Abfälle nehmen die Herausforderungen für die Zwischenlagerung zu. Daraus ergibt sich ein erhöhtes Bedürfnis an Beteiligung, vor allem an unseren Standorten, denn die sind in erster Linie betroffen. Der „Atommüll“ wird länger an den bestehenden Standortkommunen verbleiben als geplant. Diesen Anforderungen müssen wir professionell begegnen. Hier habe ich erste Gespräche geführt, beispielsweise mit den Bürgermeister*innen der Standortgemeinden.

Wie sind Ihnen die Menschen an den Zwischenlagerstandorten begegnet? Wie ist Ihr bisheriger Eindruck?

Wir haben vor Ort bereits eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit etabliert. Darauf können wir gut aufbauen. Die Rückmeldung aus den Gesprächen ist klar: Wenn es jetzt deutlich mehr als 40 Jahre Zwischenlagerung werden, wollen die Kommunen im Prozess mitreden können und erwarten auch einen Ausgleich. Hier können wir unser gutes Netzwerk nutzen, um als Vermittler zu fungieren. Insgesamt gibt es zu allen Aspekten der verlängerten Zwischenlagerung vor Ort verständlicherweise ein hohes Informationsbedürfnis, dem wir Rechnung tragen werden.

Was heißt das denn genau?

Die BGZ hat seit ihrer Gründung 2017 die Notwendigkeit einer verlängerten Zwischenlagerung mit der Öffentlichkeit erörtert. Dazu hat es bereits etliche Dialogangebote vor Ort, aber auch überregional gegeben. Die daraus hervorgegangenen Impulse nehmen wir auf und binden sie in unsere Arbeit ein. Auf dieser Basis werden wir die neuen Zwischenlagergenehmigungen rechtzeitig beantragen und dabei eine über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen.

Auch in der Region rund um Würgassen protestieren die Menschen. In diesem Fall gegen das von der BGZ geplante Logistikzentrum Konrad, mit dem die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle ins Endlager Konrad gebracht werden sollen. Wie ist denn da der Stand der Dinge?

Zuletzt hatte das Bundesumweltministerium die Entsorgungskommission (ESK) beauftragt, eine Überprüfung in der Sache vorzunehmen. Die ESK hat dazu jüngst ihre Stellungnahme veröffentlicht, durch die wir uns in unserer Arbeit bestätigt sehen. Auf dieser Basis wird das Bundesumweltministerium nun entscheiden, wie es weitergeht. Für mich ist auch hier klar, dass wir solch ein Projekt nur mit Transparenz und klarer Kommunikation umsetzen können.

Was ist denn aus Ihrer Sicht der Mehrwert eines Logistikzentrums?

Hier sollen Behälter mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen aus den über ganz Deutschland verteilten Zwischenlagern für den Transport in das Endlager Konrad zusammengestellt werden. Es erleichtert somit die Logistik für den Transport ins Endlager Konrad und ermöglicht einen reibungslosen Prozess bei der dortigen Einlagerung. Durch das Logistikzentrum können die Abfälle systematisch planbar und kontinuierlich an das Endlager abgegeben werden. Dies ist Voraussetzung für eine unterbrechungsfreie Einlagerung in das Endlager Konrad. Hierdurch kann die Dauer des dortigen Einlagerungsprozesses um etwa 10 Jahre verkürzt werden. Zusammenfassend lässt sich also feststellen: Nur mit einem zentralen Bereitstellungslager ist es möglich, die Anlieferung der Abfallbehälter nach Konrad bestmöglich zu organisieren.

Mit der verlängerten Zwischenlagerung an den Standorten und der Planung des Logistikzentrums Konrad hat die BGZ große Aufgaben zu bewältigen. Gibt es weitere?

Ich gehe davon aus, dass auch in der nuklearen Entsorgung die digitale Transformation zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dies betrifft meines Erachtens auch beispielsweise den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Das werden wir bei unseren Arbeitsprozessen verstärkt in den Fokus nehmen. Genauso wie den schon angesprochenen Kompetenzerhalt sowie die Tatsache, dass wir noch über Jahrzehnte Personal benötigen, das über die entsprechende Fachkunde in der nuklearen Entsorgung verfügt. Es gibt also genug zu tun.

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